Predigt zum 18. Sonntag nach Trinitatis am 29.09.2024
gehalten von Ines Dongowski-Warm
Predigttext: 1.Petrus 4,7-11 (Lutherbibel 2017)
Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist, der da war und der da sein wird. Amen
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde, unser heutiger Predigttext steht im 1.Petrusbrief, im 4. Kapitel:
„Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beharrliche Liebe, denn »Liebe deckt der Sünden Menge zu«. Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand redet, rede er’s als Gottes Wort; wenn jemand dient, tue er’s aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Ihm sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
Soweit unser heutiger Predigttext.
„Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“
Eine starke Aussage zu Beginn unseres Predigttextes.
Zur Zeit, als dieser Brief geschrieben wurde, erwarteten die Christinnen und Christen die Wiederkunft Christi in einem großen Weltengericht. Sie lebten zerstreut und verteilt in der damals bekannten Welt. Und litten unter den Bedrückungen einer ihnen gegenüber feindlich eingestellten Umwelt.
Dieses Weltengericht sollte sie aus den Bedrängnissen des realen Lebens erlösen und eine Art große Abrechnung Christi mit dem Weltenschmutz von Macht, Gier, Krieg und Verzweiflung herbeiführen – das Weltengericht sollte alles zum Untergang bringen und danach würde unter Christi Weltherrschaft eine neue Erde - sein Reich/ Gottes Reich - entstehen. Wir kennen diese erschreckenden Visionen des Weltengerichts aus der Offenbarung des Johannes.
Wenn ich diesem Glauben an das Weltengericht, so wie es unsere Glaubensgeschwister aus dem 1. Jahrhundert nach Christus intensiv taten, folgen könnte, dann müsste ich jetzt jubeln angesichts des Zustandes unserer Welt. Dann wäre all das, was ich erlebe und beobachte oder über die Nachrichten zur Kenntnis nehmen muss über die Umstände in der Welt – dann müsste ich das alles begrüßen.
Jaaa! Die Apokalypse ist da. Mehr Weltgericht als das, was uns bevorsteht, geht kaum. Diese Welt geht unter und das bedeutet, Christus ist nahe – er kehrt wieder und vorher geht noch alles in großem Schwung den Bach runter – aber richtig. Zerstörung, Kriege, unzählige Tote, Terroranschläge, ein Gemetzel.
Was es bedeutet, wenn der Himmel seine Schleusen öffnet, habe ich in Österreich gerade erlebt – hautnah obwohl: selber bin ich mehr als glimpflich davongekommen (noch 1. Reihe fußfrei, sozusagen). Andere haben ihre gesamte Existenz verloren, ihr Zuhause eingebüßt oder kämpfen mit Schlamm-Massen. Alles, was sie sich aufgebaut haben, ist dem Wasser zum Opfer gefallen.
Der Klimawandel ist inzwischen eine auch für mich hier im sicheren Österreich, im reichen Mödling, erlebbare Klimakatastrophe.
Oder die Flüchtlingsströme – Menschen, die vor Zäunen verhungern, im Mittelmeer ertrinken, in Elendsquartieren vor sich hinvegetieren, in Wüsten ausgesetzt werden, um zu verdursten. Diese Menschen fliehen – sie fliehen vor den Apokalypsen ihrer Heimat – nicht, weil sie es noch ein bisschen schöner hier bei uns haben wollen – denn mal im Ernst, wer von uns packt 7 Sachen und schaut mal, ob´s für immer woanders ein bissl noch feiner wäre als hier und setzt sich dazu in eine Nussschale von Boot, die aussieht, als würde sie eh gleich untergehen?
Oder die Wahl heute in Österreich. Die Wahlen in vielen Ländern Europas und der Erde in der letzten Zeit. Nationalismus. Abgrenzung. Raus aus unserem Land mit den „Anderen“. Hass in den Wahlreden. Hui, Wir hier in Österreich und Deutschland haben da eine grauslige Tradition zu erinnern.
Ich könnte angesichts all dieser Dinge in alter frühchristlicher Tradition ein freudig gruseliges Schaudern empfinden. Jetzt geht es los! Das Weltgericht kommt. Natürlich in der Überzeugung – mir als getaufter Christin wird ja eh nichts passieren.
Und danach dann: das Friedensreich!!!
Aber, ich muss es euch beichten: Zu dieser Glaubensidee des Weltunterganges kann ich mich nicht bekennen. Ich glaube nicht an diese Art der Wiederkehr Christi.
Ich liebe diese Erde. Ich liebe diese unglaubliche Schönheit der Schöpfung. Ihre unvorstellbare Vielfalt und raffinierte Eigenart in jedem einzelnen Detail. Und auch wenn mir manchmal konkrete Menschen auf die Nerven gehen oder ich sie nicht mag – wenn ich jemanden dann näher kennenlerne, offenbart sich in ihrer/seiner Lebenserzählung die große Schönheit jedes Menschenwesens.
Ich fühle mich verbunden mit dem Auftrag Gottes, diese Schöpfung zu bewahren, sie zu pflegen, zu hüten.
Was ich glaube ist, dass die Erde und ihre Mitbewohner – die Pflanzen und Tiere und Mitmenschen – dass dies alles uns von Gott anvertraut ist. Das wir den Auftrag haben, diese Erde zu bewahren als die zauberhafte, wunderbare Schöpfung. Diese Erde mit ihren Naturwundern und der unfassbaren Vielfalt an Menschen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Begabungen.
Wenn ich es schaffe, als Teil der weltweiten Menschengemeinschaft, wenn wir es schaffen, dass Ruder nochmal rumzureißen und die Welt nicht dem Katastrophenkollaps auszuliefern. Dann, ja dann kommt das Friedensreich Christi, das ich ersehne!
Das Schöne an unserem Predigttext ist, dass er mich nicht nur mit dem Eingangs-Vers: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ in den Schockzustand bringt und ich dadurch meine aktuelle Lebenssituation in dieser Zeit wahrnehme. Sondern der Predigttext geht ja weiter.
Der Schreiber des Petrusbriefes schenkt mir Trostworte. Er zeigt, wie es aushaltbar wird und bewältigbar. Er sagt, mir, dass ich als Christin, ein Handwerkszeug habe, um diese Extremlage zu bewältigen. Ich zähle euch was auf aus dem Text:
• Besonnenheit/ Ruhe finden durch das Gebet - wie gut, wenn Panik aufkommt
• Habt beharrliche Liebe untereinander – auch wenn beim Tun Fehler passieren, wenn eine Sünde passiert – die Liebe deckt dies zu - wie tröstlich!
• Gastfreundschaft ohne Murren - oha, ich denke mir: Klimaflüchtlinge, Armutsflüchtlinge, Kriegsflüchtlinge, wir haben da einen Auftrag!
• Einander dienen mit den Gaben, die jede und jeder ausgeteilt bekommen hat – darauf komme ich etwas später noch mal zurück
Und zusätzlich habe ich/ haben wir die „10 Gebote“ und das „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
Das bedeutet doch: Ich als Christin, wir alle gemeinsam als Christinnen und Christen, wir können ein Modell sein für das Überleben in unserer Welt, für die Rettung unserer Welt. Wir haben das Handwerkszeug dazu.
Wir sind das Salz der Erde, das hat Jesus uns zugesagt und uns aufgetragen. Das ist eine Auszeichnung. Eine Herausforderung. Ein Ritterschlag zum Widerstand gegen den Weltuntergang, gegen die Apokalypse, gegen die Entmenschlichung, gegen die Entsolidarisierung und gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.
Ich mache noch einen kleinen Exkurs in Anlehnung daran, dass wir heute als Lektorin und Lektoren in das Predigtamt in dieser Gemeinde eingeführt wurden. Denn es steht, erstaunlich aber wahr - im Predigttext extra dazu ein Halb-Vers. Er lautet: “Wenn jemand redet, dann rede er`s als Gottes Wort“. Ich verspreche euch, wenn ich hier stehe und predige oder den ganzen Gottesdienst halte, dass ich es in Ernsthaftigkeit tun werde. Dass ich über die Worte der Bibel intensiv nachdenke, mit ihnen ringe werde, mich von ihnen ergreifen und begeistern lassen werde. Ich werde es mir nicht leicht machen.
Und ich hoffe, dass so Gottes Wort, gefiltert durch mich, bei euch ankommen kann und euch berührt. Ich hoffe, dass Gottes Liebe zu uns Menschenkindern durch mich und meine Amtshandlungen zu euch hindurchscheinen wird. Ich vermute, dass das was ich über mich hier gesagt habe, in ähnlicher Art und Weise auch für meine Lektoren-Kollegen zutrifft.
Nun zum Abschluss meiner Predigt: Mit dem Briefeschreiber Petrus als Rückendeckung sage ich zu mir und zu euch, hier aus meinem heute bestätigten Predigtamt heraus, verbinde dich/ verbindet euch durch das Beten mit Gott, dass wird mich/ das wird euch ins Vertrauen und in die Ruhe führen und bleibe/ bleibt in der Liebe Gottes, die mir und euch durch Jesus ins verstehende Herz gelegt wurde – dann kann ich/ dann könnt ihr die Liebe auch austeilen.
Das wird unsere Welt retten und alle Lebewesen, die auf ihr wohnen.
Dann, ja dann kommt das Friedensreich Christi, das ich ersehne!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.