Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis am 07.07.2024
gehalten von Ines Dongowski-Warm
Predigttext: Apostelgeschichte 8,26-39
Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist, der da war und der da sein wird. Amen
Sommerzeit. Ferienzeit. Reisezeit.
Ich begebe mich auf keine Reise ohne Buch – keine Ahnung, wie das bei dir ist auf Reisen– ob du auch eher zum Buch greifst oder ob du die Handycheckerin bist oder der Youtube/TIKTOK-Schauer.
Am liebsten habe ich lange Bahnfahrten, denn da komme ich ausgiebig zum Lesen. Ein richtiger dicker
Schmöker ist dafür genau das Richtige.
Ziemlich blöd wird es – wenn sich das Buch als langweilig, schlecht geschrieben oder sogar mir unverständlich herausstellt. Dazu die Landschaft, die vorbeizieht, öde wirkt und es in mir vielleicht auch nicht freudig, sondern traurig, düster oder enttäuscht ausschaut. Dann wird die Reise zäh und unerfreulich. Und ich sehne mich - nach allem Möglichen.
Der heutige Predigttext erzählt von einem, dem eine solche Reise widerfährt und sie endet überraschend.
Hört den heutigen Predigttext. Er steht in der Apostelgeschichte im 8. Kapitel, Verse 26-39:
„Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist.
Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, ihr Schatzmeister, war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja.
Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen!
Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest?
Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
Die Stelle aber der Schrift, die er las, war diese: »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.«
Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem?
Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Schriftwort an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.
Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?
Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn.
Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.“
Soweit der heutige Predigttext.
Der betuchte Herr aus dem fernen Königinnenreich Äthiopien ist also unterwegs – am laaangen Heimweg von Jerusalem zurück zum Hof seiner Königin, mindestens noch 1.000-1.500 km liegen vor ihm. Die Strecke, die er fährt, lässt mich aufhorchen und trägt mich fast raus aus der Erzählung – ich kenne seine Stationen auf Grund der aktuellen furchtbaren Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis. Er fährt von Jerusalem via Gaza und weiter nach Ägypten, dort am Nil entlang bis ins damalige Äthiopien (heute Sudan - auch dort momentan ein schrecklicher Bürgerkrieg). Auch zu seiner Zeit war die Straße zwischen Gaza und Jerusalem öde – so beschreibt es der Engel, der den Philippus losschickt zu diesem Reisenden.
Damit dem Schatzmeister die Heimreise in seinem Wagen nicht zu unerträglich wird, hat er sich in Jerusalem noch mit Lesestoff eingedeckt. Wow, denke ich, wer konnte sich das denn damals leisten – aber ja, er ist der Kämmerer der Königin Kandake, ihr
Schatzmeister, einer ihrer höchsten Beamten. Und wohl auch sehr gebildet – er kann lesen und er muss verschiedene Sprachen beherrschen.
Er hat eine Schriftrolle von der hebräischen Bibel erstanden – er liest laut – wie in der Antike üblich – so dass die Kundigen wissen, er liest im dem Propheten Jesaja. Aber nicht nur die Straße ist öde, irgendwie auch der Text, denn er versteht nicht, was er da liest. Die Reise verspricht sehr mühsam zu werden!
Wahrscheinlich ist es auch in ihm selbst öde, wüstengleich und trostlos. Denn auch in diesem übertragenen Sinne können wir die Beschreibung seiner Heimfahrt verstehen. Er war nach Jerusalem gereist, „um anzubeten“ – wie es in der APG heißt – im berühmten Jerusalemer Tempel der Jüdinnen und Juden. Aha, denke ich, er ist also kein Tourist, sondern ein Suchender, einer, der viel mehr als 1.000 km zurücklegt. Er muss ja wohl eine Gottessehnsucht haben. Irgendetwas fehlt in seinem so reichen Leben, weswegen er sich auf den Weg macht. Zu Hause hat er es nicht gefunden, auch nicht bei seinen dortigen Gottheiten, sonst wäre er nicht hier unterwegs.
Im griechischen Urtext wird dieser Mann als Eunuch betitelt. Ein Eunuch ist ein körperlich verstümmelter Mann. Seiner Zeugungsfähigkeit beraubt und damit der Königin nicht gefährlich – so war es damals üblich für diese hohen Beamten. Aber: als
Eunuch darf er nicht Jude werden, es ist von Gesetzes wegen verboten. Und noch dazu: er darf auch den Tempel nicht betreten – nicht mal dessen Vorhöfe – die normalerweise den Heiden offenstanden. Ich stelle ihn mir sehr traurig vor, dort auf seinem Wagen. Hoffnungslos und resigniert. Irgendwie verloren wirkend. Seine Reise hat ihm nichts gebracht.
Ich bin froh, dass der Engel den Philippus zu diesem Reisenden sendet. Und der Schatzmeister ist auch froh oder schon so mürbe, jedenfalls bittet er den Menschen, der ihn da auf der Straße anspricht, zu sich auf seinen noblen Wagen.
Und dann wendet sich die Reise zum ganz Guten. Die beiden haben richtig Glück miteinander: ein Wissbegieriger und ein Schriftausleger oder Religionslehrer, ein Suchender/Fragender und einer der beseeligende Antworten parat hat. Philippus erklärt dem Äthiopier die Jesaja-Bibelstelle und was sie mit Jesus und seinem Evangelium zu tun hat. Sie reden und reden und reden – Fragen und Antworten, Fachsimpeln und Palavern. Die Stimmung beim Schatzmeister hebt sich zusehens. Er spürt, er hat jetzt, auf dieser staubigen wüstengleichen Straße gefunden, wonach er gesucht hat. Und er ist so erfüllt von dieser Jesusgeschichte – sie trifft ihn mitten in seine Seele hinein, er fühlt sich gemeint und erlöst durch diesen Jesus, von dessen Gotteserleben und Gottesbild. Und will sofort mit dazugehören.
Und dann passieren mehrere überraschende Dinge:
1) Mitten in der Wüstenlandschaft taucht eine Wasserstelle, ein Bacherl / eine Lacke auf. Der hohe Schatzmeister aus dem Morgenland wird zu einem in seinem tiefsten Inneren berührten Menschen, der vorsichtig um etwas Großes bittet und den Philippus fragt: spricht was dagegen, dass ich mich taufen lasse?
2) Philippus – ist es egal, welcher Herkunft, welcher Nationalität, welcher Vorreligiosität dieser Mann ist - und wir hören von der ersten Taufe in der jungen Christenheit an einem Nicht-Juden.
3) Und wir erleben hier in der APG die erste Beschreibung einer Taufe in der Bibel. Eine Taufe ohne Aufwand, Vorbereitung, Vorbedingungen. Keine Katechismusfragen, kein ordentliches Taufbekenntnis, keine Paten, kein Taufkleid, keine Gemeinde drumherum. Der hohe Finanzbeamte will es von ganzem Herzen. Und das reicht dem Philippus aus. Er tauft den Mann und ab
sofort ist der Schatzmeister ein Christ.
Und jetzt ganz zum Ende hin kommt für mich der berührendste Satz unseres Predigttextes: „er zog aber seine Straße fröhlich“.
Der Mann aus dem Morgenland hat den Geist Gottes von den Lippen seines Lehrers Philippus gesogen und hat das Evangelium im Herzen. Er ist getröstet. Erwacht. Erfüllt. Die innere Öde ist vorbei und damit auch die äußere. Ich höre ihn quasi singen auf der noch immer staubigen Straße zwischen Jerusalem und Gaza. Aber nun zieht er seine Lebensstraße fröhlich. Wie immunisiert gegen die Fahrnisse und Turbulenzen, die Trübnisse des Lebens.
Und ich werde traurig und ein bisschen neidisch, wenn ich mich da vergleiche mit diesem Mann aus der Ferne. Ich bin ja auch getauft - aber diese unbeirrbare Fröhlichkeit, dieses Mutvolle, das geht mir oft ab. Wie gerne würde ich so singend meine
Lebensstraße ziehen. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Säugling getauft wurde und ich mich deswegen an dieses erfüllende Ereignis nicht erinnern kann. Erinnern kann ich mich an meine Konfirmation – das war mein Jasagen zu dem Gott, der mich durchträgt durchs Leben. Das war eine ergreifende sehr würdige, innerlich tiefe Erfahrung für mich. Vorher mussten wir alle ängstlich durch die Prüfungsprozedur, danach waren wir bekennend kirchlich erwachsen. Aber keine und keiner von uns hat damals nach dem Konfirmationsgottesdienst fröhlich jubiliert und hat tanzend die Straße des Lebens beschritten.
Und ich nehme an, dass es euch mit eurer Taufe ähnlich geht. Denn wahrscheinlich gibt es nur ganz wenige hier, die nicht als Kleinkinder oder Säuglinge, sondern als Erwachsene getauft wurden.
Ich glaube, wir erinnern uns zu wenig daran. An diese Zusage Gottes, an dieses Geschenk: Kinder Gottes zu sein.
Das ist es auch, was der Schatzmeister aus dem Morgenland über die Geschichte von Jesus erfahren hat. Das Gleiche, was auch mir und dir gilt: Gott hat mich erschaffen, er hat mich bei meinem Namen gerufen. Ich bin als Individuum, als diese konkrete Person, die ich bin, bei ihm bekannt. Er hat mich erlöst – von meinem Verschulden / dem Bösen, was ich begehe und von der Angst vor dem Tod – ich bin sein. Ich brauche mich nicht fürchten. Ich darf singend meine Straße ziehen. Das bedeutet die Taufe.
Getauft sein / Kind Gottes sein bedeutet nicht, dass von nun an das Leben ein nur glückliches und von Leid befreites sein wird. Jesus hat es uns vorgelebt: er hatte nicht nur Sonnenschein in seinem Leben: Streit mit den Eltern, die mit dem Lerneifer ihres
hochbegabten Sohnes nichts anfangen konnten, Streit mit den Schriftgelehrten um das richtige Gottesbild, auch staubige Straßen, wahrscheinlich öfter mal Hunger und Hitze und Durst und kein Dach-über-dem-Kopf, wahrscheinlich war er auch mal krank, Versuchungen des Teufels, Verrat durch Freunde, Verleumdungen, große Angst vor dem Tod am Kreuz und erlebte Gottesferne. Aber die Grundmelodie unter seinem Leben – das war dieses Fröhlich-Singend in Zuversicht die Lebensstraße ziehen. Egal was an menschlichem Leid sich darüberlegen mag.
Und ich dachte mir, vielleicht erinnern wir uns heute, an diesem Sonntag, der sich speziell der Taufe widmet, mit einer persönlichen Tauferinnerung-Geste an unsere Taufe. Eine Art Erinnerungs-Refraicher – ähnlich wie in der Osternacht. Ich werde vor dem Abendmahl Wasser in das Taufbecken gießen. Und ich möchte jede und jeden von euch, der oder die möchte, einladen, nach der jeweiligen Abendmahlsrunde, bevor du dich wieder hinsetzt, an das Taufbecken zu treten und so wie du es persönlich gut findest, für dich mit dem Wasser eine Tauf-Erinnerungs-Geste zu machen: sei es ein Kreuz an die Stirn oder auf deine Hände. Vielleicht möchtest du auch etwas mit dem Wasser spielen, es richtig fühlen. Oder dein Gesicht benetzen. Damit du ein Gefühl dafür bekommst: das Wasser des Lebens hat dich mit Gott verbunden. Das Wasser wäscht alles ab: Schmutz und Schuld, Angst und Verzagtheit, Verzweiflung. Im Innen wie im Außen.
Taufe und Abendmahl – diese beiden großen Sakramente unserer Kirche - verbinden uns mit Gott und mit unserem Bruder Jesus Christus. In der Erinnerung daran, dass ich vom Wasser gereinigt, durch Gott befreit und mit Jesus verbunden bin - so kann ich, kannst du, dann hoAentlich meine / deine Lebensstraße wieder leicht und fröhlich gehen, von der Heiligen Geistkraft beflügelt. Egal was an menschlichem Leid sich darüberlegen mag.
Ich sehe den Mann aus dem Morgenland auf seinem schönen staubigen Wagen, singend / fröhlich seine Lebensstraße ziehen. Ein wunderbares Hoffnungs- und Erinnerungsbild an meine Taufe für mich und ich hoffe, nun auch für dich..
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.